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Es gibt sie noch- Menschen mit Visionen. Helmut Latz, Heimleiter der Lebenshilfe Wohnstätte Kall, hatte eine solche. Die Lebenshilfe Kreisvereinigung e.V. Euskirchen – sein Arbeitgeber – ist eine gemeinnützige Selbsthilfevereinigung für Menschen mit geistiger Behinderung. Sie leistet spürbare Beiträge in den Bereichen Beratung, Förderung, Bildung und Beschäftigung, und bietet ein differenziertes und dezentrales Wohnverbundsystem mit unterschiedlicher Betreuungsdichte. Sie füllt Begriffe wie Selbstbestimmung, Normalität, Integration und Inklusion mit Leben. „Meine Vision war es, den Menschen mit Behinderung darüber hinaus  auch sinnvolle Freizeit-, Sport-, Kultur- und Begegnungsangebote zu bieten“,  sagt Helmut Latz heute nach Verwirklichung seiner Ansichten.  Mit diesem Thema verfasste er auch seine Diplomarbeit.  „So entstand dann im Jahre 1996 der ‚Club 96 – Freizeit mit Behinderten e.V.‘, gegründet auch mit Angehörigen von Bewohnern der Wohnstätten,  und durch einen Kooperationsvertrag mit der Lebenshilfe Euskirchen dokumentiert“, erklärt er weiter. Neben dem
1. Vorsitzenden Helmut Latz gehören auch die persönlich Betroffenen Helmut Albrecht – Euskirchen –  als 2. Vorsitzender und Walter Jansen – Gemünd – als Geschäftsführer zum Vorstand. Helmut Albrechts Tochter und Walter Jansens Bruder wohnen in der Wohnstätte Lebenshilfe Kall.  Der „Club 96“ arbeitet unkompliziert und ohne großen Verwaltungsaufwand.  Er finanziert sich durch Mitgliederbeiträge und Spenden von Freunden und Gönnern  sowie von Angehörigen der betroffenen Familien. Von der Vision zur Umsetzung der gesteckten Ziele galt es außer dem ehrenamtlichen Vorstand weitere Helfer für eine Mitarbeit zu gewinnen. Und so begleiten und assistieren heute ca. 100 „Übungsleiter“  bei  der Planung und Ausführung der Freizeitgestaltung. Die Aufwandsentschädigungen werden dem „Übungsleiter von gemeinnützigen Einrichtungen“ steuerfrei vergütet in Abtretung des gesetzlichen Jahresfreibetrages. Im Jahr 2015 leisteten die „Übungsleiter“ 5750 Jahres-Stunden. Davon entfallen 2230 Stunden in Gruppenassistenz, 450 in Wohngruppen und 3070 für Einzelbetreuung.  Allen Menschen mit Behinderungen, die im Freizeitbereich Assistenz benötigen – egal wie sich die Behinderung definiert – kann im regionalen bzw. Gemeindeumkreis Betreuung zuteil werden.  Der „Club 96“, und alle Beteiligten und Helfer erfüllen mit ihrer Arbeit, dass Menschen mit Behinderungen selbstverständlichen Zugang in unserer Gesellschaft haben, und verhindern Benachteiligungen und Diskriminierung. „Die soziale Teilhabe im näheren und erweiterten Lebensumfeld unterliegt aber immer der Eigenentscheidung und der Freiwilligkeit der Betroffenen“, erläutert Helmut Latz einen Passus aus dem Kooperationsvertrag mit der Lebenshilfe Euskirchen. Der „Club 96“ ist auch beteiligt an der Initiative „EU-integrativ“ mit Sitz in Euskirchen und entstand über die Lebenshilfe, indem verschiedene Einrichtungen und Träger gemeinsam das Ziel verfolgen, Menschen mit Behinderungen in örtliche Sport-, Freizeit-, Kultur-, und Bildungsangebote zu integrieren. Die Nutzung dieser Angebote dient vor allem der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit  und dem Selbstbewusstsein des Betroffenen.

Über die Lebenshilfe verwaltet wird auch wieder in 2017 ein prall gefüllter Veranstaltungskalender erscheinen, den auch der „Club 96“ als Kooperationspartner unterstützt und organisiert. Dieser Kalender umfasst Veranstaltungen und Events, wie Karnevalssitzungen, Museums-, Kino-, Theater-, Zoo-, und Restaurantbesuche, Sportveranstaltungen, Kirmes-, und Phantasialand-Besuche, Einkaufsfahrten, Kochkurse, Bastelangebote, Wanderungen und vieles mehr. Über die zertifizierten Betreuer der Wohnstätte Lebenshilfe Kall und die „Übungsleiter“ wird den Betroffenen zum Beispiel auch im „Aktivpark Kall“ die Möglichkeit gegeben, ihre Freizeit durch Sport zu verbringen. Simone Limbach nutzt diese Einrichtung gerne. „Ich kann hier ganz normal trainieren und fühle mich sehr wohl im Kreise anderer Fitnessteilnehmer“, erzählt sie. Frau Wilms, ihre Betreuerin, sagt: „Hier im Aktivpark  wird die Gleichberechtigung von Behinderten in der Gesellschaft gelebt.“ Das Ehepaar Förster – Inhaber des „Aktivpark Kall“ verdeutlicht die unkomplizierte Zusammenarbeit mit dem „Club 96“: „Wir geben gerne unsere Unterstützung zur Nutzung aller unserer Einrichtungen.“ Ein weiteres Beispiel für die Verwirklichung  ihrer Interessen erfahren  die Behinderten auch durch die Kirchengruppe Kall-Heistert mit Abendgottesdiensten in der Kapelle. Der Kapellenvorstand baute unaufgefordert eine Rampe, sodass auch die Behinderten mit ihren Betreuern barrierefreien Zugang zur Kapelle haben.  Auch der Einladung zum gemütlichen Beisammensein anlässlich des Hubertusfests – ausgerichtet von den Heisterter Bürgern – kommen immer 15 bis 20 Behinderte gerne nach. So gibt es sicher noch weitere Beispiele, wo auch Menschen mit Behinderungen wertgeschätzt und in ihrer Einmaligkeit anerkannt werden.  Im Mai 2016 feierte der „Club 96“ sein 20-jähriges Bestehen, welches auf dem 50-Jahre-Jubiläum der Lebenshilfe KV Euskirchen e.V. entsprechend gewürdigt wurde. Im Jahr 1992 wurde in Kall die erste Wohnstätte der Lebenshilfe eröffnet. Die Einrichtung verfügt über sechs Wohneinheiten mit jeweils acht Bewohnern und bietet auf drei Ebenen Wohnraum für geistig Behinderte erwachsene Menschen.  In Häusern wenige Meter von der Hauptwohnstätte entfernt wohnen weitere zwölf Personen-Außenwohngruppen. Zusätzlich wohnen in Kall 27 Personen im sogenannten betreuten Wohnen. Um den Zuwächsen  gerecht zu werden, wird in Kall auf der Hindenburgstraße ein neues Haus für die Lebenshilfe gebaut. Hier entstehen  für die Aufnahme von geistig behinderten Menschen zwölf Einzelzimmer und zusätzlich für acht Personen ein Betreutes Wohnen. Somit  ist  für jeden künftigen Bewohner der Schutz der Privatsphäre und die persönliche Rückzugsmöglichkeit gegeben. Dort einbezogen ist  aber auch – den neuesten Erkenntnissen entsprechend – ein Freizeit- und Begegnungszentrum für offene Treffs, und viele weitere Angebote der individuellen  Freizeitgestaltung des Einzelnen. Neben der Verwaltung der Wohnstätte werden dort auch der Familienunterstützende Dienst, das Betreute Wohnen, KoKoBe und NEW Jobs ihre neuen Büroräume dort beziehen.  Die Nutzung des neuen Hauses kann nach der geplanten Eröffnung im März 2017 erfolgen. Durch diesen Neubau und seine Einrichtungen gestaltet sich für die Bewohner eine an der Normalität orientierte Wohn- und Alltagssituation, die zu deren  Lebenszufriedenheit und Wohlbefinden in großem Maße beiträgt, und wo Inklusion gelebt wird.  Der „Club 96“ wünscht sich für die Zukunft, dass wir alle den Menschen mit Behinderung mit der gleichen Selbstverständlichkeit begegnen, wie wir sie auch selbst erleben möchten.

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