TEILEN
Wilhelm Mausbach mit Maschinenmodellen der Dörries Scharmann AG - Alles für die Dokumentation der Geschichte zur Neuhütte
Alles für die Dokumentation der Geschichte zur Neuhütte: Wilhelm Mausbach mit Maschinenmodellen der Dörries Scharmann AG

Mechernich – Vussem. „Es geht einfach immer weiter!“ Albert Velser blättert durch ein sichtlich in die Jahre gekommenes Fotoalbum: Bilder aus Produktionshallen, Männer in Arbeitskleidung, bis zu zehn Meter im Durchmesser große Planscheiben der Drehmaschinen für Wasserturbinen oder Drehverbindungen für Straßenbahnen und Windkraftwerke. Als Ortshistoriker Velser und Wilhelm Mausbach, ehemaliger Beschäftigter der Dörries Scharmann AG mit am Ende 298 Mitarbeitern an der „Neuhütte“, 2015 die Dokumentationsstätte eröffneten, ahnten sie nicht, dass sie damit einen andauernden Prozess in Gang setzten. Bis heute bekommen sie Holzmodelle, Werkzeuge oder auch Fotoalben von ehemaligen Beschäftigten anvertraut. Auf 60 Quadratmetern in einem unscheinbaren Raum des Bürogebäudes des heutigen IHZ-Feytal wird das alles aufbewahrt und der Öffentlichkeit in Form einer Ausstellung zugänglich gemacht: ein wichtiges Kapitel Eifeler Industriegeschichte.

Sandra und Heinz Hamacher
Sandra und Heinz Hamacher

Hätte es nicht die finanzielle Unterstützung durch den „Verein zur Förderung und Erhaltung der Werkzeugmaschinenbautradition in der Eifel e.V.“ als Träger der Schau, vor allem aber durch Sandra und Heinz Hamacher gegeben, die heute Eigentümer des Werksgeländes sind und auf die Miete für den kleinen Raum verzichten – es wäre vermutlich nicht so weit gekommen. Prachtstück der Sammlung ist eine fast drei Meter große, noch immer funktionstüchtige Ständerbohrmaschine, Baujahr 1954. Die Maschine konnte auf den Bruchteil eines Haardurchmessers genau bohren. Das alles wird chronologisch auf Schautafeln erzählt und auch mit Probewerkstücken aus der einstigen Lehrwerkstatt verdeutlicht. Former, Eisengießer, Modellschreiner, Dreher, Fräser, Bohrwerker, Schlosser und Elektriker wurden in „Neuhütte“ zur Fertigung der Einzelteile und Montage von Bohrmaschinen (1920 bis 1954) und Karusselldrehmaschinen (1956 bis 1998) ausgebildet.

Wandel der Eisenindustrie

Warum hatte die Eisenindustrie gerade in Vussem eine so lange Geschichte? Hier gab es die benötigten Ressourcen, „Eisenstein, Holzkohle und vor allem Wasserkraft zum Antrieb der Maschinen“, so Albert Velser. 1722 begründete der Gemünder Reid- und Hüttenmeister Johann Diedrich Rodscheidt mit dem Bau eines Hochofens, später auch einer Bleischmelze und einer Lohmühle, an Vey- und Hüttenbach die Industrietradition. Vor 298 Jahren. In den folgenden Jahrhunderten wechselten die Besitzer mehrfach. Nach dem Niedergang der Eisenhütten in der Eifel Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgte in Vussem die Umstellung zur Eisengießerei. Die große Zeit brach ab den 1920er Jahren an: mit dem weltweiten Export von Bohrmaschinen der Firma Girards. Als die Dörries AG, die schon in Düren ein Produktionswerk hatte, 1954 die Geschäfte übernahm, wurde die Gießerei in Vussem deutlich vergrößert und das Endprodukt auf Karusselldrehmaschinen umgestellt. Die „Neuhütte“ war zu einem der größten Arbeitgeber im heutigen Gemeindegebiet von Mechernich geworden.

Die Dörries Scharmann AG, wie das Unternehmen am Ende hieß, besiegelte mit der Verschmelzung mit der Bremer Vulkan AG allerdings auch das Ende des Werkzeugmaschinenbaus in Vussem. Die einst bekannte Bremer Werft ging 1996 in Konkurs und riss den Standort Mechernich-Vussem mit. Am 30. Juni 1998 schlossen die Werkstore. Rund die Hälfte der Belegschaft hatte schon 1996 gekündigt und neue Arbeitsstellen gesucht. 20 Jahre später ist aus der „Neuhütte“ ein modernes Industrie- und Handwerkerzentrum unter dem Namen IHZ-Feytal geworden.

Und wie kam es für den Industriestandort zum Namen „Neuhütte“? Darauf hat Albert Velser die Antwort erstmals im Vussemer „Schöffenweisthum“ von 1593 gefunden. Hier ist von einer schon damals bestehenden „Hütte“ – einer Stätte zur Eisengewinnung– die Rede. Was der damalige Graf von Manderscheid-Blankenheim 1722 dem Gemünder Reid- und Hüttenmeister Johann Dietrich Rodscheidt genehmigte, erhielt folgerichtig die Bezeichnung: „Neuhütte“. ●

Besichtigung nach Vereinbarung. Kontakt:

Albert Velser, Telefon: +49 (0) 2484 1649 (albert-velser@t-online.de) und Wilhelm Mausbach, Telefon: +49 (0) 2256 3262 (w.m.mausbach@t-online.de). Der Eintritt ist frei.

Text: Stefan Lieser
Fotos: Hermann J. Knippertz.

TEILEN