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Norbert Böll bei der Arbeit
Norbert Böll bei der Arbeit

Olef.

Es begann mit einem geschenkten Sack Zement vor vier Jahren: Ursprünglich sollte Norbert Böll damit die Terrassenwand verputzen. Von der Terrasse ging sein Blick in den Gar- ten mit dem ovalen Betonschwimmbecken, an dem viele seiner Grundschüler, wenn sie ein Zeltwochenende bei ihrem Lehrer verbrachten, Spaß hatten. Und er sagte zu sich selbst: „Mensch, mit Zement kann man doch ganz andere Dinge machen als eine schnöde Wand verputzen.“ Diese Haltung ist für Norbert nichts Neues: Schon als kleiner Junge benutzte er alle möglichen Utensilien und Materialien, um seiner gestalterischen Fantasie Ausdruck zu verleihen: mit Blei- und Buntstiften, Tusche, Farbkästen, Ton, Holz oder Ölfarben entstanden erste künstlerische Werke.

Bubi Klatschko, Dr. Fürchtegott und Petra

Vor einem Tisch in Norberts Olefer Freiluftschauraum im Hof unter der Balustrade stehen aufgereiht zehn große Plastiken, Torsi mit Gesichtern, an die 40 Zentimeter hoch. Rechts – mit Käppi und eingedötschter Nase unschwer als Boxer erkennbar – steht „Bubi das ‚Glaskinn‘ Klatschko denkt ernsthaft über das bedingungslose Grundeinkommen nach“. Bubi Klatschko hat so oft einen auf die Schnauze bekommen von Gegnern, die seiner nicht würdig waren – jetzt will er für das bedingungslose Grundeinkommen kämpfen. Links neben ihm die Plastik „10 Jahre Psychopharmaka – Herzlichen Glückwunsch zum Jubiläum, Petra“. Schon ein Jahrzehnt lang ist Petra aufgrund eines Nervenzusammenbruches ausgesteuert und mit Psychopharmaka ruhiggestellt und kann so ihr Leben halbwegs ertragen. Ein imposant wirkend wollendes Männlein mit dem Habitus eines Oberstudienrates der Nachkriegszeit „Dr. Fürchtegott fürchtet, dass es so kommt, wie er befürchtet“, steht neben Petra und nimmt den Kampf gegen die Vernichtung der Arbeitsplätze durch die Digitalisierung auf. Die letzte Plastik in der ersten Reihe heißt „Polyarschos spürt den Verfall“. Polyarschos (ein Kunstname, der auf deutsch so viel wie Vielarsch heißt) sieht aus wie ein klassischer Philosoph und ist genauso weise: Er spürt den Verfall der alten Gewissheiten, Sicherheiten und Überzeugungen. Da hilft nur noch Betäubung in Form von Doping, kein Zufall, dass die „Russische Siebenkämpferin vor der Urinprobe“ gleich hinter ihm steht.

Mit Messer und Löffel

Neben diesen Großplastiken hat Norbert Böll in den letzten Jahren viele weitere Figuren angefertigt: kleinere Frauenstudien mit Kopf, Vögel, Stiere, Knoten und abstrakte Figuren. Wie die plastischen Werke sind auch sie aus nichts anderem als Kaninchendraht und Zement hergestellt. Werkzeuge: Besteckmesser und Esslöffel. „Es bedarf schon einiger Kniffe, um Rundungen oder Augenlider mit dem spröden Material zu formen“, sagt der Künstler. All das passiert unter der Balustrade oder in der ungeheizten Werkstattgarage zwei Meter weiter.

Die Plastiken sind das vorläufig letzte Genre, in dem sich der Universalkünstler Norbert Böll auslebt. Davor war er Portrait- und Ölmaler, Zeichner und Illustrator und ist immer noch Musiker. Norbert ist auch ein Wortkünstler, aber im Gegensatz zu Patenonkel Heinrich Böll ist Norbert Lyriker. Zunächst schreibt er musikalische Gedichte – profan: Liedtexte. Diese sind von solcher Qualität, dass eine so bekannte Gruppe wie die Lords oder auch der Schlagersänger Bruce Low Norbert als Texter an- heuern. Als solcher arbeitet er bis heute eng mit seinem Schwager Johannes („Hannes Schöner“) zusammen, einer der Leitfiguren der Höhner. Auch für das letzte Höhner-Album „Wir sind für die Liebe gemacht“ hat Norbert einige Texte geschrieben. Die sind allzeit hörbar.

Für den Freiluftschauraum ist eine Anmeldung erforderlich: 02447-1404. ●

Text: Peter Struben
Fotos: Ralph Sondermann

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