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Hier gibt es keinen Tempel, hier gibt es nur ’ne Kirche.“ So, erzählt Sophie Lange, Matronenforscherin und Wahl-Nettersheimerin, haben Einheimische vor Jahren verdutzt auf die Frage von Wanderern geantwortet, die den Weg zu den Matronensteinen auf der Görresburg nicht fanden. Heute dürften Suchende wohl sachdienlichere Hinweise erhalten, hat insbesondere die Tempelanlage von Nettersheim doch eine gewisse Medienpräsenz erlangt. Im Jahr 2010 gab es Planungen, im Tempelbezirk einen acht Meter hohen, hölzernen Kubus aufstellen zu lassen, der Teil des „Archäologischen Landschaftsparks Nettersheim“ werden sollte. Dieses Vorhaben platzte, die Proteste, den alten Kultplatz derart zu verändern und ihm seine spezielle Ausstrahlung zu nehmen, waren zu laut. Für touristische Zwecke als Vorzeige-Anlage angepasst wurde er dennoch und hat damit Teile seiner Mystik und Kraft eingebüßt, berichten Insider der Kultplatz-Szene. Aber auch die VerfechterInnen der spirituellen Sicht auf die Matronensteine müssen zugeben: Ohne die eher nüchtern-sachliche Archäologie wären die Matronentempel vermutlich gar nicht an die Oberfläche geraten.

Gi╠érresburg_MatronenEs sind stets drei Frauen, die auf den Matronensteinen dargestellt sind, die mittlere mit offenem Haar ist jünger als die beiden äußeren mütterlichen Göttinnen, die eine Haube tragen. Sie sind Dreiheit und Einheit zugleich – keine unbekannte Eigenschaft in verschiedenen Religionen. Die Zuständigkeit der Matronen ist nicht eindeutig, offenbar waren sie – wie Frauen eben so sind – multitaskingfähig. Sicher wurden sie bei unterschiedlichen Anlässen angerufen, u.a. für eine gute Ernte, wie die Früchte, die auf ihren Schößen liegen, signalisieren. Als Dank für die Erfüllung ihrer Bitten stellte die Multikulti-Bevölkerung aus römischen Legionären, Kelten und Germanen in der Zeit zwischen ca. 160 bis 240 n. Chr. Weihesteine auf. Über 800 Funde im ehemaligen Eburonen-Ubierland zwischen Eifel und Rhein beweisen eindrücklich, wie sehr die Matronen verehrt wurden. Es waren aber erst die Römer, die die Verehrung der Matronen von Kelten und Germanen übernommen hatten, die Bildnisse für die Matronen schufen. Der Matronenkult an sich ist aber noch viel älter. Die drei Tempel von Nettersheim, Zingsheim und Pesch wurden auf einer Linie angelegt, wobei der kleinere in Zingsheim von den beiden größeren in die Mitte genommen wird. Zufall oder Ausdruck der Dreiheit-Einheit-Symbolik?
Heimatforscherin Lange berichtet auf ihrer äußerst umfangreichen Internetseite zum Thema Matronen (sophie-lange.de), dass im frühen Christentum die alten Kultplätze weiter von den Menschen besucht wurden. So gab Papst Gregor der Große um 600 n. Chr. die Anweisung, die Heidentempel nicht zu zerstören, sondern in christliche Kirchen umzuwandeln – glücklicherweise natürlich nicht alle. Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die drei Tempelanlagen in Nettersheim, Pesch und Zingsheim wiederentdeckt und erlebten mit spirituellen Strömungen in den 1980er Jahren eine wahre Renaissance. Dabei sind Gaben wie Früchte, Kräutersträußchen und Bonbons in den Schößen der Matronen noch recht unauffällige Spuren spiritueller Riten. Die besonderen Kraftorte werden aber auch zu Jahreskreistänzen und anderen Ritualen genutzt. Ziriah Voigt aus Mechernich, ehemalige evangelische Pastorin und heute Freiberuflerin für spirituelle Fachthemen, führt Interessierte zu den Matronentempeln (Termine unter ziriah.de). „Der Gang zu den Matronentempeln ist ein spiritueller Begegnungsweg. Er führt Dich nicht nur zu den Göttinnen eines alten Kultplatzes, er führt Dich auch zu den Göttinnen in Dir selbst“, schreibt sie. Mein Vorschlag: Einfach mal ausprobieren und der geheimnisvollen Kraft der Plätze selbst auf den Grund gehen. Das gilt nicht nur für Frauen sondern natürlich auch für Männer.

ZingsheimAnmerkung der Autorin: Ich selbst habe gleich beim ersten Kontakt Bemerkenswertes mit den Matronen erlebt. Abgesehen davon, dass die Weihesteine einfach in einer sehr schönen Umgebung stehen, bewirken sie offenbar tatsächlich Begegnung. Beim Besuch der Görresburg, um Fotos für diesen Artikel zu machen, sprach ich eine Frau an, die offenbar sehr ortskundig war, ob sie mir vom Platz erzählen könne. Später kontaktierte ich erstmalig Ziriah Voigt, die mir bei der Online-Recherche als Expertin für die Kraftorte der Matronentempel begegnete, über Email. Doch ich hatte sie längst getroffen – eben am Tempelbezirk Görresburg.

Pesch2Text: Claudia Träger;  Fotos: Ralph Sondermann

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