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Es ist schon irgendwie erstaunlich: Unsere Zeit ist so unglaublich schnell und kurzlebig: schnelle Autos, schnelles Internet, eben mal durch die Welt surfen, online shoppen … Und dann gibt es tatsächlich Menschen, die sich dagegen stemmen, die die Langsamkeit und ein altes Handwerk pflegen. Angelika Koller ist so ein Mensch, eine Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, einen vollen Arbeitstag hat und seit ca. zwei Jahren von dem Virus „Wolle spinnen“ befallen ist.

WolleDoch der Reihe nach. „Für unsere Familie haben wir vor über 15 Jahren ein Haus oder einen Hof in der Eifel gesucht und sind schließlich in Mechernich fündig geworden. Dort haben wir eine alte denkmalgeschützte Wassermühle gekauft“, erzählt Frau Koller. „Den Hof haben wir renoviert und umgebaut, sodass wir mit unseren beiden Kindern und unseren Ponys so leben konnten, wie wir uns das vorstellten.“ Frau Koller zog die Kinder auf, verwaltete den Hof und versorgte Ponys und Hunde. Inzwischen sind die Kinder zwar aus dem Haus, die Ponys weiden aber immer noch auf dem idyllischen Anwesen. Nur leider fressen Pferde selektiv, lassen viele Kräuter stehen und zertreten und beschädigen die Grasnarbe. Viele Pferdebesitzer kennen dieses Problem. Daher müssen die Weiden ausgemäht und gepflegt werden, um lange gutes Gras bringen zu können. „Durch Gespräche mit anderen Pferdeleuten reifte in mir die Idee, Schafe als Weidepfleger anzuschaffen“, erzählt Angelika Koller. „Es sollten kleine, gehörnte Schafe einer vom Aussterben bedrohten Rasse sein. Außerdem robust und wetterfest, und sie sollen alles fressen, was die Ponys überlassen.“ Angelika Koller wurde fündig. Vor vier Jahren zogen die ersten weißen gehörnten Heidschnucken auf dem Hof ein. Zuerst vier weibliche Lämmer, im zweiten Jahr kam ein Bock dazu, und im dritten Jahr brachten die vier Schafe jeweils Zwillinge auf die Welt.

Koller-SchafeNun, nach vier Jahren, sind die Weiden super gepflegt und ähneln fast einem englischen Rasen. „Was aber sollten wir mit der Wolle machen? Schließlich werden die Schafe im frühen Sommer geschoren“, fragte sich Frau Koller. Sie nahm Kontakt zum Freilichtmuseum Kommern auf, wo hin und wieder Spinnkurse angeboten werden. Hier und in einem Spinnkreis lernte sie, ihr eigenes Schnucken-Vlies zu Wolle zu verspinnen. Anfangs zu einem dicken, etwas knubbeligen Faden, inzwischen aber wird er dünn und gleichmäßig.

Spinnspule„Wenn das Schaf geschoren wird, erhalten wir ein zusammenhängendes Vlies. Diese Rohwolle wasche ich nicht, sondern verspinne sie zu einem Faden. Das hat den Vorteil, dass sich die fettige Wolle leichter zupfen lässt und besser durch die Finger gleitet“, erklärt Angelika Koller. „Anschließend werden zwei volle Spindeln mit einfachem Faden eingesetzt und die beiden Fäden entgegen der ersten Spinnrichtung zu einem Faden gezwirnt. Das geht relativ schnell. Dieser gedrehte Faden löst sich nicht mehr auf und das gestrickte oder gehäkelte Produkt verzieht sich nicht in eine Richtung. Nun kann der gezwirnte Faden auf eine Haspel gewickelt werden. Wenn ich die Wolle dort herunternehme, habe ich einen Woll-Strang, den ich an mehreren Stellen zusammenbinde. Die Wollstränge stecke ich jetzt in die Waschmaschine. Schließlich kommt die Wolle ja direkt vom Schaf, ist also noch schmutzig und riecht recht intensiv. Wenn die Stränge trocken sind, ist eine tolle Strickwolle in Naturfarbe fertig und kann verarbeitet werden. Da die Wolle eher hart ist, häkele ich gerne Teppiche für die Wohnung.“
Angelika Koller färbt die Wolle nicht, da sie die Naturtöne lieber mag. Schnuckenwolle eignet sich für robuste Außenbekleidung, also z.B. für Jacken. Die Kleidungsstücke sind atmungsaktiv, wärmen durch das restliche Wollfett ausgesprochen gut und halten bis zu einem gewissen Grad auch Regen ab. Ein Wermutstropfen bleibt aber: „Beim Spinnen verliert man das Zeitgefühl, und die Stunden fließen so dahin. Leider habe ich zu wenig freie Zeit zum Spinnen und Häkeln. Es ist so entspannend, ich würde es gerne häufiger machen“, beschließt Angelika Koller ihren Vortrag.

Fotos & Text: Glanzpunkt Eifel-Mitarbeiterin Regine Grümmer

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