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Schon draußen vorm Eifeler Naturzentrum in Nettersheim sind die schlagzeugartigen Klänge gut zu hören: Es ist Tag zwei des Wochenendworkshops „Cajón bauen und spielen“ mit Jo Kaster. Offenbar ist allen elf TeilnehmerInnen Montage und Feinschliff der Kistentrommeln längst gelungen und Teil zwei, Einüben eines Cajón-Arrangements, steht auf dem Programm.
Cajon_Hände2Ach, Sie wissen nicht, was das ist? Beim Glanzpunkt Eifel gibt es eben immer auch was zum Dazulernen: Die Cajón (gesprochen: Kachon) ist ein aus Peru stammendes Percussion-Instrument, das vornehmlich mit den Handflächen gespielt wird. Spieler oder Spielerin sitzt dabei auf der schlichten Holzkiste mit dem Schallloch in der Rückwand und darf damit sogar – was im Allgemeinen überhaupt nicht zum guten Ton gehört, hier aber der Klangvariation dient – kippeln. Das Instrument wurde aus der Not heraus geboren. Den Sklaven afrikanischer Herkunft wurden ihre traditionellen Trommeln als Teufelszeug und potenzielles Medium zur Fluchtabsprache von den spanischen Eroberern Südamerikas weggenommen. Als Ersatz verwendeten sie fortan einfache Transportkisten.
Cajon_GruppeUnd so unauffällig die aus den Bausätzen von Jo Kaster hergestellten Cajónes auch aussehen, ihr Sound ist überwältigend! Die heterogene Workshop-Gruppe – bestehend aus blutigen Anfängern bis zu Fortgeschrittenen mit Erfahrung aus dem „Zauberer von Oz“-Musical der Tanzoffensive Nettersheim – hat schon nach wenigen Stunden eine Choreographie erlernt, die durch Mark und Bein fährt und begeistert. Beim Cajónspielen stellen sich sehr schnell die ersten Erfolge ein, bestätigt der aus Blumenthal gebürtige Wahl-Nettersheimer Jo Kaster. Dieser Umstand und das körperliche Erlebnis beim Cajón-Spiel – an den Händen tut’s auch schon mal weh – trägt wohl dazu bei, dass es sogar zu einer Art therapeutischer Maßnahme werden kann, sei es im weiteren Sinne bei Teambuilding-Prozessen eines Unternehmens und Schulklassen bis hin zu den, wie Kaster erzählt, autistischen Jugendlichen seines ersten Percussion-Workshops. Er war verblüfft, wie nah er „den Leuten mit ein wenig Trommelei gekommen war.“ Sowohl Gemeinschaftsempfinden als auch Selbstwertgefühl werden gefördert. Erst seit ca. 1975 gibt es die Instrumente auch in Europa, zunächst in Spanien. Bis sie in Deutschland von sich hören ließen, verging fast noch einmal ein Jahrzehnt. Jo Kaster, der zunächst auf Congas und Bongos spezialisiert war, ist über einen Musiker-Kollegen auf die Kistentrommeln aufmerksam geworden und „konnte einfach nicht mehr aufhören zu spielen“, wie er erzählt. Neben seinem Soloprojekt ist Jo Kaster mit der „wahrscheinlich exotischsten Band der Eifel“ Los Vecinos unterwegs und hat sich als Cajón-Bauer, -Lehrer und Workshop-Leiter etabliert. Zudem spielt und baut er die aus Simbabwe stammende Kalimba und die äußerst seltene Array Mbira – ebenfalls ganz außergewöhnliche Klangerzeuger.

Cajon_InstrumentÜber ihre Verwendung bei Flamenco und Rumba haben Cajónes inzwischen Einzug in alle Musikrichtungen gefunden. Auch wenn es sich für Akustik-Laien ähnlich anhört: Sie als Ersatz für ein Schlagzeug zu betrachten, wird dem geschichtsträchtigen Instrument wahrlich nicht gerecht. Der Klang ist trockener, nicht so dröhnend, geht aber dennoch „durch“. Am besten ist es, sich das Instrument einmal anzuhören. Nein, noch besser ist es, es auszuprobieren (Kontakt: tribe-holz.de). Interessierte müssen weder Noten lesen können noch sind Vorkenntnisse mit anderen Instrumenten notwendig, nur ein gewisses Maß an Gefühl für Takt und Rhythmus ist von Vorteil. Aber wer hat das nicht?
Die TeilnehmerInnen des alljährlich stattfinden Osterferien-Workshops hatten es in jedem Fall. Ihre Begeisterung war in jeder einzelnen Schallwelle im Übungsraum im Holzkompetenzzentrum zu spüren. Trudi Schult könnte sich vorstellen, den Frauenchor, in dem sie singt, später einmal mit einer Cajón zu begleiten. Der achtjährige Moritz Neuhaus hat den Workshop zur Kommunion geschenkt bekommen, Vater Stefan hat schon „Zauberer von Oz“-Musical-Erfahrung. Da ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass sich auch bei Moritz das Cajón-Virus festsetzt.

Text: Glanzpunkt Eifel-Mitarbeiterin Claudia Träger
Fotos : Glanzpunkt Eifel-Mitarbeiter Ralph Sondermann

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