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Andreas Kieling mit alten, analogen Weggefährten

Gerade erst aus dem Kongo zurück, hat sich Andreas Kieling mit uns getroffen, um über die Eifel zu sprechen

Hümmel: 
Andreas Kieling hat sich verspätet. Der Sicherheitscheck am Flughafen in Tansania hatte sich verzögert. Auf der Rückreise vom Kongo rächten sich dort seine ausgiebigen Kajak-Touren auf dem Tanganjikasee, dem zweitgrößten Süßwasserreservoir der Erde, und der Umweltstiftung Global Nature Fund zufolge leider auch der „bedrohte See des Jahres 2017“. Die Paddel hatten die Rillen seiner Fingerkuppen so abgeschmirgelt, dass die Erkennung des Fingerabdrucks fehlschlug. Bis alle Formalitäten geregelt waren, war der Flieger Richtung Heimat weg.

Heimat oder Heimathafen des Tierfilmers und Abenteurers Andreas Kieling ist die Eifel. Hierher kehrt er, der schon die ganze Welt bereist hat, seit 1982 immer wieder zurück. Er kann sich nichts Schöneres vorstellen. Selbst Alaska schafft es nicht, der Eifel ihren Rang als seine Lieblingsgegend abzulaufen. Theoretische Chancen haben noch die Galapagosinseln und Mallorca, denn dort war Andreas Kieling noch nicht. Ein anderer
Konkurrent ist Thüringen. „Natürlich schlägt mein Herz auchfür Thüringen, wo ich geboren bin, und wo es mit dem Hainich den letzten Urwald Deutschlands gibt“, erzählt er.

Seine zweite Heimat: Alaska

Urwald, den gibt es in der Eifel nicht. „Wir leben in einer Kulturlandschaft. Trotzdem gibt es hier die höchste Biodiversität in Westeuropa. Das machen die Mischwälder, die offene Landschaft und die kurvige Peripherie möglich“, erklärt Andreas Kieling. „Wir können stolz darauf sein, was wir hier haben.“ Da ist die zwischenzeitlich fast verschwundene Wildkatze, da sind seltene Greifvögel wie Uhu, Wanderfalke, Baumfalke oder Rotmilan.

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Wölfe willkommen

Andreas Kieling zum Wolf: 

„Ich bin ganz klar ‚pro Wolf‘. Wir müssen natürlich umdenken: Für Schafherden brauchen wir z.B. richtige Herdenschutzhunde wie Kangale. So kleine Zäunchen, mit denen die Herden abgesteckt werden, sind für einen Wolf natürlich kein Hindernis. Wir müssen das Zusammenleben mit dem Wolf wieder lernen.“

 

 

 

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Der Rotmilan ist der weltweit seltenste Greifvogel, mehr als die Hälfte seiner Art lebt in Deutschland. Intensivierung der Landwirtschaft und Windkraftanlagen machen ihm aber auch hierzulande das Leben schwer. „Da hinten fliegt gerade einer. Der dürfte doch gar nicht hier sein“, wundert sich Andreas Kieling. „Als Zugvogel gehört er jetzt in den Süden.“ Aber die Winter sind eben nicht mehr das, was sie mal waren. Und weiter geht’s mit den seltenen Arten: Amphibien wie der Glockenfrosch oder die Geburtshelferkröte, Schlingnatter, Orchideenarten wie das gefleckte Knabenkraut. Insekten gibt’s hingegen
nicht so viele – das liegt am rauen Klima.

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… zu Windkraftanlagen:

„Das sehe ich kritisch-differenziert. Energie aus Atomkraft oder Braunkohle will ja auch niemand. Aber der Anblick, ob tagsüber oder nachts, wenn sie rhythmisch blinken, tut schon weh. Spricht man aber die damit verbundenen Probleme an, wird man schnell als Gegner der Erneuerbaren Energien beschimpft.“
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Gibt es womöglich auch ein Zuviel an Tieren in den Eifeler Wäldern, z.B. Rotwild oder Wildschwein? „Es stimmt schon, in der Eifel gibt es deutschlandweit die höchste Dichte an Rotwild, und die Wildschweine pflügen so manchen Garten um. Eine Selektion durch harte Winter gibt es nicht mehr. Aber aus der Sicht der Rehe oder Wildschweine sind sie nicht zu viele. Wildschweine sind die Generalisten unter den Eifel-Tieren, sie kommen mit ganz unterschiedlichen Futterquellen zurecht: von Würmern und Engerlingen über Eicheln und Kastanien bis zu Feldern voller Mais und Kartoffeln. Auch ein totes Reh oder gar toten Artgenossen verschmähen die Wildschweine nicht.“ Ihnen geht’s gut in der Eifel. Und sie sind schlau „Die Anführerin der Rotte ist die Bache, sie sind sozial organisiert mit Hierarchien, haben eine eigene Sprache und führen so manchen Jäger an der Nase herum.“

Andreas und Cleo haben schon viel gemeinsam erlebt

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… zum Nationalpark Eifel:

„Der Nationalpark Eifel war längst überfällig. Ich bin übrigens Schirmherr der Junior Ranger. Es nützt allerdings nichts, 18 Nationalparks zu haben, ansonsten aber mit dem ‚Rest‘ der Fläche nicht sorgsam und respektvoll umzugehen. Wir müssen vom Nationalpark lernen, den Nationalpark-Gedanken auf unsere Lebenswirklichkeit herunterbrechen. Das kann ja auf 15 Quadratmetern Garten geschehen, wo beispielsweise Libelle und Zaunkönig einen Lebensraum geboten bekommen.“
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In der Welt unterwegs – in der Eifel zu Hause: Büroarbeit mit Blick in die Natur. Foto: Ralph Sondermann

Andreas Kieling ist optimistisch, dass auch in Zukunft ein Nebeneinander von Mensch und Wildtier möglich ist: „Der Schwarzstorch lebt auch neben einem Kieswerk, die Luchse
schicken wieder ihre jungen Rüden vor, um sich Reviere zu erobern, und ich habe auch schon einen Wolf in der Eifel fotografiert. Naja, eigentlich hat er sich selbst fotografiert, denn er ist in eine Fotofalle getappt. Die Tiere reichen uns immer wieder die Hand und zeigen: ‚Ich bin bereit, mit euch zu leben’.“ Wir müssen nur einschlagen.

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… zum Insektensterben:

„Insekten werden so wahnsinnig unterschätzt. Es klingt jetzt vielleicht ketzerisch, aber die Rote Waldameise ist wichtiger als die Wildkatze. Die Wildkatze brauchen wir nicht, die Ameise schon. Wenn die Biene von der Erde verschwindet, dann hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben, sagte schon Albert Einstein. Man sollte vielleicht Nahrungsmittel,
die unter Verwendung von Glyphosat produziert wurden, mit einem Totenkopf-Stempel versehen, es so deutlich machen wie bei Zigaretten, wie gefährlich das Gift ist.“
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Text: Claudia Träger

 

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