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Segeln auf dem Kronenburger See – ein Selbstversuch von Glanzpunkt Eifel-Mitarbeiterin Claudia Träger mit Fotos von Ralph Sondermann

Es ist etwas kippelig, als ich an Bord der Pegasus gehe, aber ich darf mich überall und muss mich sogar mindestens
mit einer Hand festhalten, das ist eine wichtige Regel beim Segeln. Die andere Hand bleibt zum Arbeiten. Das kleine Kajütboot kann gar nicht kentern, versichert mir Stephan Vigano, Leiter der Segelschule am Kronenburger See. Ein kleiner Schwindel zu meiner Beruhigung? Die ungewöhnliche Wetterlage, die Anfang Juli ganz Deutschland ins Schwitzen bringt, ist für mich Segelnovizin ein weiterer Sicherheitsfaktor: ganz schwacher Wind aus wechselnden Richtungen. Seekrank oder über Bord gehen werde ich bei meinem Schnuppertörn wohl nicht.
Ich soll mich an die Pinne setzen. Was ist das denn? Ich greife einfach mal nach dem einzigen an Deck, das wie ein
Pin aussieht, aber als Steuerungseinheit des Bootes wahrlich einen würdigeren Namen verdient hätte. Ich lag
richtig und muss jetzt die Pegasus in die gewünschte Richtung lenken. Das ist für eine blutige Anfängerin gar nicht so einfach. Steuerbord … Steuerbord … ach ja, das ist rechts, also muss ich die Pinne nach links halten … oder doch andersrum? Und schon sind wichtige Sekunden verstrichen und die Segel killen, fachchinesisch dafür, dass die Segel schlapp im Wind flattern und zum Vorankommen nicht viel taugen. „Nicht so viel überlegen, sondern nach Gefühl fahren“, ist Viganos Ratschlag. Er muss es wissen, bringt der DSV-lizensierte Ausbilder schließlich schon seit über 25 Jahren angehenden Freizeitkapitänen die elegante Fortbewegung mit Wind und Segel bei.
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Während ich also versuche, entsprechend den Anweisungen meines Lehrers Kurs zu halten, fallen Begriffe wie Trimm, Vorwindkurs, Schot, halber Wind, Luv – es ist schon eine spezielle, aber eindeutige Sprache, die die Seefahrer über die Jahrhunderte entwickelt haben. Im Notfall muss auf Anhieb klar sein, was gemeint und vor allen Dingen was zu tun ist. Auch für den höchstwahrscheinlich völlig ungefährlichen Segelausflug auf dem heimischen See ist theoretisches Wissen unabdingbar. Ich frage mich gerade noch, ob wohl das Tretboot im Ferrari-Look oder wir Vorfahrt haben, und wie gebremst wird, als die Ansage „Klar zur Wende!“ kommt. Äh, wie war das nochmal? Antwort: „Ist klar!“ Und dann? Ist irgendwie doch gar nicht so klar. Das muss sitzen, sonst sitzt man selbst eine Weile manövrierunfähig da.  Zwar in diesem Fall in der idyllischen Umgebung vom Kronenburger See, aber es ist trotzdem peinlich für jemanden auf den Spuren von James Cook.

Gerade für Anfänger ist das berechenbare Segelrevier unterhalb des Städtchens mit dem wunderschönen, mittelalterlich geprägten Ortskern sehr attraktiv. Normalerweise kommt der Wind stets aus einer Richtung (aus Westen), so dass Kreuzen, Halsen und Wenden ganz nach Plan geübt werden können. Ideale Bedingungen auch für Kinder, die den Segelgrundschein schon ab einem Alter von acht, den Sportbootführerschein Binnen/Segel von 14 Jahren bei Stephan Vigano und seinem Team von seaschool.de machen können. Das bestätigt Fabian Gentges aus Euskirchen, der 2014 sowohl Segeln als auch Motorbootfahren gelernt hat. Langweilig wurde es dabei nie. „Beim Segeln ist man ständig beschäftigt, Motorboot fahren wird dagegen schnell zur Routine“, erzählt der 18-Jährige und fügt hinzu: „Wir saßen hier auch schon auf der hohen Kante.“ Es war also notwendig, mit dem eigenen Körpergewicht dem Winddruck auf die Segel entgegenzuwirken und die Schlagseite des Bootes zu verringern. Ich staune. Fabian schwärmt von der grenzenlosen Freiheit und der Sehnsucht, über die großen Meere zu segeln. Und von der Ruhe, die auch schon gar nicht so weit ab vom Ufer herrscht.
Vigano selbst schätzt darüber hinaus die gepflegte Umgebung am See, dessen Hauptzweck  ist, als Rückhaltebecken vor den Hochwassern der Kyll zu schützen. Seit seiner Inbetriebnahme im Jahr 1976 hat er sich zu einem kleinen Eldorado für Wasserratten gemausert – mit  dem einzigen Wasserseilgarten Deutschlands als jüngster Attraktion. Hier können Eltern ihre Kinder getrost Ganztages-Ferienkurse mit Rundum-sorglos-Betreuung verbringen lassen – das ist auch mein Eindruck. Für sie und alle anderen Seebären und Leichtmatrosen liegen bis zu zehn Segelboote, mehrere Stand-up-paddle- und Sit-on-top Boards am Steg der „Eifel-Marina“ bereit, die auch ohne Kursteilnahme verliehen werden. Nach vorheriger Anmeldung am See oder bei der Gemeindeverwaltung Dahlem kann auch das eigene Segelboot (bis 14 m² Segelfläche) zu Wasser gelassen werden.
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Auf dem Kronenburger See muss natürlich mit der Segelkarriere noch lange nicht Schluss sein. Schon ganz in der Nähe lockt der Rursee, der mit häufig wechselnden Winden allerdings eine ganze Nummer schwieriger zu besegeln ist. Die Niederlande, ein Land des Wassers, sind auch nicht weit. Für mich wird die zweite Stufe der Ausbildung aber erst einmal ein weiterer Schnuppertörn bei ganz normalem Eifelwetter sein, beschließe ich, als ich wieder Land unter den Füßen habe. Ich habe mich schon jetzt gefühlt wie ein kleiner Captain Jack Sparrow auf seiner Black Pearl. Wie stolz werde ich erst nach einer Fahrt bei ordentlicher Krängung (tja, ich weiß jetzt, was das ist) und einer Geschwindigkeit schneller als der Wind (das geht wirklich, aber wohl nicht mit einer gewöhnlichen Jolle) anlegen? Aber heute ist es eben, wie es ist: „Flaute gehört dazu – wie im richtigen Leben“, lautet die abschließende Weisheit vom Seemann an die Landratte.

Text: Claudia Träger Fotos: Ralph Sondermann

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