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Hecken und zerrissen aus der Vogelperspektive
Hecken und zerrissen im Ländchen

Hellenthal-Hecken. Stellt man sich in einer Gruppe vor „Ich wohne in Hecken“, ertönt es im Chor: „Hecken und zerrissen!“ Das 206-Seelen-Dorf (Stand 31.12.2018) im Ländchen ist berühmt. Natürlich auch wegen des legendären Veilchendienstag-Karnevalsumzugs. Die vielleicht etwas abfällig klingende Ortstitulierung „Hecke on zerresse“ (auf platt) für das nette Fleckchen Eifel kennt jedenfalls (fast) jedeR hier. Woher sie kommt, wissen die meisten nicht. Es gibt verschiedene Erklärungsansätze.

Die abgeschiedene Lage

Langsam fahren in Hecken
Hecken: Rasen wäre sowieso zu schade

Heimatforscherin Sophie Lange aus Nettersheim hat auch schon versucht, dem Ursprung des weitbekannten Beinamens von Hecken auf die Spur zu kommen: „Zerrissen hat man mir so erklärt, dass die Häuser früher ziemlich weit auseinander standen, so dass sich kein festes Dorfbild ergab. Von den Dörfern im Wildenburger Ländchen sagt man auch: Die hat der Düvel (Teufel) im Galopp verloren – also irgendwo wahl- und sinnlos in der Gegend abgeworfen.“ Walter Hanf, ehemaliger stellvertretender Gemeindedirektor von Hellenthal und ebenso Heimatforscher, sieht es ganz ähnlich: „Vielleicht haben Spötter den Ortsnamen Hecken allein wegen der Zerrissenheit der Siedlung oder ihrer Abgelegenheit um das Adjektiv zerresse angereichert.“ Bis 1954 war das Gebiet hinter Wiesen/Manscheid vom öffentlichen Nahverkehr abgeschnitten. „Mit Zielort ‚Ins Ländchen‘ fuhr dann der erste Postbus nach Hecken“, erinnert sich der Mundartforscher Fritz Koenn, der selbst jahrzehntelang in Hecken wohnte.

Die Sache mit Napoleon

Noch bildhafter und besonders originell ist die Legende, von der Erna Klein aus Hecken zu berichten weiß: „Als Kaiser Napoleon Anfang des 19. Jahrhunderts durch die Eifelwälder streifte, suchte er in der Nähe von Hecken nach einer geeigneten Stelle zur Verrichtung seiner Notdurft. Von seinem Rastplatz aus entfernte er sich durch Sträucher und Unterholz und zerriss sich dabei Hand und Jacke an Dornen und spitzen Zweigen.“ Übereinstimmend, aber ohne prominente Beteiligung, veranschaulicht Fritz Koenn den feststehenden Begriff: „Da der Ortsname schlicht wie der Plural von Hecke = Strauch klingt, glauben viele, dass hiermit vor allem dornige Hecken wie Brombeersträucher gemeint sein könnten, die damals massenweise um das Dorf standen. Denen sollte man nicht zu nahe kommen, um sich nicht de Botz oder et Kleed ze zerieße.“ Ländchen-Experte Manfred Conrads aus Manscheid bestätigt: „Die Assoziation, mit der Kleidung an Dornenhecken hängen zu bleiben und sie daran zu zerreißen, ist naheliegend.“ Dass es sich um einen Schimpfnamen für die Einwohner wegen deren zerrissener, ärmlicher Kleidung handeln könnte, wird bei allen professionellen Erklärungsversuchen entschieden ausgeschlossen.

Ein Schimpfwort für Hecken wäre auch ausgesprochen unangebracht. Die Ortschaft hat ein sehr lebendiges Dorfleben, bei dem Jung und Alt zusammenhalten. Der Dorf- und Brauchtumsverein Hecken e.V., der Musikverein Hecken 1962 e.V., die Löschgruppe Kreuzberg/Hecken der Freiwilligen Feuerwehr Hellenthal und die IG Ländchener Karneval stellen gemeinsam mit den EinwohnerInnen eine ganze Menge auf die Beine, um die Dorfgemeinschaft zu fördern: Karnevalsumzug mit Todeskurve, Kirmes mit Knochen, Maifeier mit Baum, der lebendige Adventskalender und viele weitere gelebte Ideen tragen dazu bei, dass sich die HeckenerInnen regelmäßig begegnen – im Saal Seidl, in der alten Volksschule, an der Grillhütte am Kokesbach oder einfach auf der Straße. Außerdem schätzen heute Heimathirsche, Immis, Touristinnen und Touristen die schöne Natur rund um das Dorf. Wasseramselpfad und Borstgrasrasen-Rundweg sind sogar ökologisch besonders wertvoll. Kein Wunder also, dass die Redewendung irgendwann erweitert wurde: „Hecken und zerrissen will ich niemals missen!“ So sieht’s nämlich aus. ●

Hecken und Paulushof in früheren Zeiten
Lange her: Hecken und Paulushof in früheren Zeiten

Text: Claudia Träger
Fotos: Ralph Sondermann, privat

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