Kall. Freitagvormittag vor der Alten Schule in Kall an der Aache- ner Straße. Die ersten Kunden der Kaller Tafel e.V. warten schon. Rentnerin Annegret Schmitz* trägt eine bunte REWE-Tasche aus Plastik in den behandschuhten Händen. Bei REWE hat sie schon lange nicht mehr eingekauft. Es ist ein sonniger, kalter Morgen. Ihr Atem gefriert in der eisigen Luft. Mit hochgeschlagenen Krägen wartet auch ein Grüppchen junger Syrer, ich höre italienisch, sehe osteuropäische Züge in manchen Gesichtern. So unterschiedlich die Menschen sind, vom Team der Tafel werden sie alle gleich freundlich behandelt. „Wir machen keinen Unterschied, egal welche Hautfarbe, welche Nation, meinetwegen könnten sie auch kariert sein“, sagt der 1. Vorsitzende der Kaller Tafel e.V. Johannes Heinrich Wegge. „Sie alle sind berechtigt, bei uns Ware abzuholen, qualitativ einwandfreie Nahrungsmittel, die im Wirtschaftsprozess nicht mehr verwendet werden.“
Der Traum vom Kühlfahrzeug
Seit 2006 setzt die Kaller Tafel e. V. den Tafelgedanken im Altkreis Schleiden um. Jeden Werktag sind die ehrenamtlichen Teams unterwegs, um Backwaren, Milchprodukte, Obst und Gemüse sowie Fleischwaren bei den Märkten und Geschäften abzuholen – mit dem tafeleigenen Kleintransporter oder sogar mit ihren Privatautos. „Unser großer Wunsch ist ein Kühlfahrzeug, denn bei manchen Lebensmitteln darf die Kühlkette nicht unterbrochen werden. Solche werden uns jetzt nicht ausgehändigt.“ Im Ausgaberaum der Tafel sortieren Helferinnen täglich die Ware und lagern sie bis zur nächsten Ausgabe in den Regalen oder der Kühlung. „Die Lebensmittelmärkte stellen uns oft vor die Wahl: alles nehmen oder gar nichts“, erklärt Dr. Gerlinde Linne von Berg, die sich mit Kirsten Althoff an der Kasse abwechselt, und die Kaller Tafel e.V. ins Leben gerufen hat. „Deshalb müssen wir erstmal die Spreu vom Weizen trennen.“ Das erklärt die vollen Müllcontainer am Haus – die Tafel als Abfallentsorger für Aldi & Co..
Man kennt und hilft sich
MitarbeiterInnen im Außen- und Innendienst gesucht!
Kontakt: kaller-tafel@t-online.de
Johannes Heinrich Wegge +49 (0) 176 96020721
Dr. Gerlinde Linne von Berg +49 (0) 2441 4378
Diese Arbeiten sind schon erledigt, als ich meinen Dienst antrete. Ich helfe bei der durchorganisierten Lebensmittelausgabe. Die Auswahl ist jedes Mal anders, heute gibt es Bananen in rauen Mengen. Manche Kunden kommen schon seit Jahren. Wie Annegret Schmitz, die bis heute nicht versteht, wie sie in die Altersarmut rutschen konnte. Aber es ist, wie es ist. Sie freut sich sogar ein bisschen daran, Lebensmittel, die sonst weggeschmissen würden, zu verwerten. „Schönes Wochenende“, ruft eine Irakerin ihr hinterher, als sie mit ihrer Tüte aus besseren Zeiten die Alte Schule verlässt. Man kennt und hilft sich. Zwei junge Männer tragen ihr die Einkäufe die Treppe herunter. „Gerade auch die Asylbewerber sind hilfsbereit und freundlich“, sagt Linne von Berg. Wegge ergänzt: „Zu Handgreiflichkeiten ist es hier noch nie gekommen. Ein angemessenes Durchsetzungsvermögen ist jedoch durchaus von Vorteil, wenn man hier arbeitet.“
Spendenkonto:
Kaller Tafel e.V.
Kreissparkasse Euskirchen
IBAN:
DE94 3825 0110 0001 5458 62
Es gibt pausenlos etwas zu tun. Lebensmittel heraussuchen, leere Kisten aus den Regalen heben und zusammenfalten. Zum Ausgabeschluss sind die Regale fast vollständig geleert. Während die freiwilligen HelferInnen die Regale und den Boden säubern, macht Kirsten Althoff Kassensturz: „Heute haben wir 101 Familien mit insgesamt 241 Personen mit Lebensmitteln versorgt. Ein durchschnittlicher Ausgabetag“, sagt sie. Ich habe gerne dabei geholfen und das gute Gefühl, wertvolle Arbeit geleistet zu haben.
*Annegret Schmitz ist eine fiktive Person. Sie steht stellvertretend für einige Schicksale, von denen uns bei unseren Recherchen erzählt wurde. ●
Text: Annette Krämer
Fotos: Ralph Sondermann, Josef Knippertz
